Am 29. Mai hatte unser Vereinsmitglied Ernst Köhler zu einem Stadtrundgang – rechtselbisch – eingeladen. Leider kamen nur fünf Teilnehmer, aber diese fünf erlebten Bemerkenswertes und sahen Einzigartiges, was dem linkselbisch an Burg, Dom, historischer Altstadt und Porzellanmanufaktor orientierten Meißen-Besucher glatt entgeht.Bis 1901 waren Meißen und Cölln zwei getrennte Ortschaften. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte die keramische Industrie in Cölln einen enormen Aufschwung – eine Vielzahl Fliesen, Ofenkacheln und diverse keramische Fabrikate herstellende Betriebe entstanden. Die bekannteste unter diesen war zweifelsohne die Firma Teichert. Zeugnisse davon sahen wir bereits im Meißner bzw. vormals Cöllner Bahnhof. Nach einem kurzen Spaziergang stromaufwärts erreichten wir die St. Urbanskirche in Meißen-Cölln. Bereits im 12. Jahrhundert befand sich hier eine romanische Kirche, Elemente davon sind noch sichtbar. Ihre heutige Gestalt stammt aus dem Jahr 1701, erbaut auf den Grundmauern der 1691 abgebrochenen alten Kirche. Bemerkenswert ist, dass neben dem Epitaph eines Kreuzritters aus dem 13. Jahrhundert noch Zeugnisse gotischer Baukunst (Sakristei, Altar) erhalten sind und integriert wurden. Dieses schlichte Bauwerk im Landbarock erfüllte bis 1898 seine Funktion als Gemeindekirche, wurde dann aber zu klein, wie uns der frühere Pfarrer erläuterte. Von 1895 bis 1898 entstand deshalb in unmittelbarer Nähe die Johanneskirche im neogotischen Stil im Übergang zum Jugendstil. Dieses einzigartige Bauwerk mit Altar und Kanzel aus keramischen Materialien, beides Stiftungen Teichert’scher Betriebe, sowie Malerei auf Keramikkacheln und Bildhauerkunst der Hentschel-Brüder ist eine Augenweide.
Stolz reckt dieses Gesamtkunstwerk seinen 63 Meter hohen Kirchturm als Zeichen des Selbstbewusstseins und des Wohlstandes des Cöllner Bürger in die Höhe – gut sichtbar vom Meißner Burgberg dessen Dom damals noch die Turmspitzen fehlten. Es verwundert nicht, dass sich vor allem der Meißner Stadtrat bemühte, die beiden Siedlungsteile ab 1901 unter gemeinsamer Fortführung des traditionsreicheren Namens „Meißen“ zusammenzulegen, wobei die Cöllner besonderen Wert auf die Begrifflichkeit legten: Zusammenschluss – keine Eingemeindung.Nach der Besichtigung der Johanneskirche, deren Besuch jedem kunst- und kulturgeschichtlich Interessierten wärmstens zu empfehlen ist, führte uns unser Rundgang weiter, vorbei an mehreren Wohnhäusern mit zum Teil vollständiger keramischer Fassadenverblendung bzw. mit Fenstereinrahmung durch Fliesen bis wir schließlich die Firma Bidtelia erreichten. Am Firmengebäude ist unschwer zu erkennen, dass man hier Tonverarbeitung bzw. -veredelung sowie die Herstellung von Glasuren industriell bzw. z.T. noch traditionell im Manufakturbetrieb weiter führt. Wir wurden sehr freundlich vom Inhaber, Herrn Bierstedt, empfangen. Herr Bierstedt und Herr Köhler sind Mitglieder der Meißner Münzfreunde, so dass sich schnell angenehme Gespräche entwickelten. Herrn Köhler überraschte uns mit einer Weinprobe Meißner Weine und Herr Bierstedt mit einem kleinen Imbiss. Dadurch verging die Zeit wie im Fluge. Krönender Abschluss war eine Werksführung. Dazu ist resümierend festzustellen: „Nichts ist unmöglich“, zumindest was Kundenwünsche auf keramischem Gebiet betrifft, denn Herr Bierstedt hat eine Vielzahl von Formen und Modellen der Firma Teichert erworben, ist selbst kreativ und technisch versiert. Selbst die Anfertigung von Medaillen oder Plaketten ist kein Problem.
Treffpunkt des Stadtrundganges an Bahnhof war gegen 15.00 Uhr; verabschiedet haben wir uns nach 20.00 Uhr. Ein herzliches Dankeschön an Ernst Köhler und Ulrich Bierstedt für diese gelungene Veranstaltung mit einem leider nur sehr kleinen Teilnehmerkreis Dresdner Numismatiker.
Matthias Grimm